«Der Schweizer Finanzplatz soll ein global führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen sein.» Das ist die Ambition des Bundesrates, wie er sie, flankiert von Vertreterinnen und Vertretern der Finanzbranche, im Juni dieses Jahres der Öffentlichkeit präsentierte. Das stimmt eigentlich zuversichtlich. Ob die gewählte Strategie dafür aufgeht, ist hingegen mehr als fraglich. Es braucht griffige Massnahmen und die Vertrauenswürdigkeit der Eidgenossenschaft, sonst dürfte dieses hehre Ziel reine Willensbekundung bleiben.

Zugegeben, die Erwartungen an den Bundesratsbericht zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor waren hoch. Der Bericht ist eine sehr gute Grundlage für die weiteren Schritte auf dem Weg, wie die Finanzflüsse an einem 1,5 Grad-Erwärmungsziel ausgerichtet werden können. Der Bundesrat verpasst es aber, die nötigen Schlüsse zu ziehen. Er will keine einzige der identifizierten Massnahmen selber angehen und spielt den Ball und damit die vollständige Verantwortung der Branche zu. Sie soll aus eigener Kraft und eigenem Antrieb dieses grosse Ziel erreichen. Das dürfte die Branche vorerst freuen und war sicher auch so gewollt. Regulierung behindere Innovation. Notwendige Innovation, um eben dieses Ziel der Nachhaltigkeit im Finanzmarkt zu erreichen, so das gängige Argument.

«Die Finanzbranche braucht die Glaubwürdigkeit der Eidgenossenschaft.»

Das ist aber zu kurz gedacht. Gerade die Banken haben mit der Finanzkrise und immer wieder erschütternden Skandalen viel an Vertrauen verloren. Und das Grünwaschen von Finanzprodukten, wie es in den vergangenen Jahren zuweilen sportlich von vielen Akteuren betrieben wurde, hat die erst dünne Vertrauensbasis in Nachhaltigkeitsfragen sicher nicht gestärkt.

Dabei wäre jetzt der Schulterschluss der Branche und der Politik notwendig, um mit verbindlichen Regeln, klaren Definitionen und vor allem mit Transparenz Glaubwürdigkeit aufzubauen. Der Branche fehlt diese nämlich, um Verbindlichkeit selber herzustellen. Dazu muss die Eidgenossenschaft ihr Gewicht in die Waagschale werfen. Denn nur wenn Kundinnen und Kunden verbindlich ganzheitlich über den ökologischen Fussabdruck von Finanzprodukten informiert sind und umweltschädliche Angebote durch Internalisierung der Kosten langfristiger Schäden bepreist werden, ist eine Positionierung als global führender Finanzplatz möglich.

Aktiv Wettbewerbsvorteil schaffen

Die wohl dringendste Massnahme wäre jetzt, dass der Bund aktiv an der Nachhaltigkeitsdefinition mitwirkt. Denn auch wenn die EU voranschreitet und mit ihrer Taxonomie wichtige Pfade gelegt hat, ist die Arbeit der Nachhaltigkeitsmessung ein langfristiger iterativer Prozess. Und es stehen auch noch schwierige Aufgaben bevor, wie zum Beispiel die Analyse der Auswirkungen des Finanzmarkts auf den Biodiversitätsverlust. Dazu muss das Personal im Finanzmarkt geschult werden – eine weitere dringende Massnahme.

Genau durch diese vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema – in der Branche und beim Bund – entsteht nicht nur Glaubwürdigkeit sondern auch Wettbewerbsvorteil. Ein globaler Wettbewerbsvorteil, wie ihn sich der Finanzplatz und der Bundesrat wünschen.

Autor:

Gerhard Andrey ist Nationalrat Grüne und Unternehmer. Der gelernte Schreiner, Holzingenieur HTL und Informatiker NDK ist Mitglied der nationalrätlichen Finanzkommission und Verwaltungsrat der Alternativen Bank Schweiz. Er ist Mitgründer der Digitalagentur Liip und der Gustav Akademie. Zudem ist er Mitglied des Stiftungsrats Seedcapital Freiburg und und präsidiert den Dachverband der Freiburger Kulturinstitutionen.

Illustrationsbild: © adobestock / marek_usz