Anlagen in Bezug auf ökologische, soziale und governancebezogene Kriterien (ESG) haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Die ESG-Fonds können zahlreichen Anlegerbedürfnissen entsprechen, ob nun einer Präferenz für gewisse Werte, einer Herbeiführung bedeutender Veränderungen, einer Erfüllung regulatorischer Anforderungen oder einer Verbesserung der risikobereinigten Renditen.

Aber ESG-Anlagen können von Natur aus nur subjektiv sein – der Anleger sollte also Ratings und Methoden, auf denen ein Produkt basiert, verstehen. Denn auch unter den sogenannten «ESG-Screened»-Produkten gibt es in der Praxis viele unterschiedliche Ansätze beim Portfolioaufbau.

Fokus gezielt wählen – E, S oder G?

Ein ESG-Index kann etwa bestimmte Sektoren – darunter fossile Brennstoffe, Tabak oder umstrittene Waffen – auf der Grundlage von Daten ausschliessen, die zeigen, wie viel Umsatz ein Unternehmen in diesen Sektoren erwirtschaftet. Diese Indizes werden generell ein Ausschlussverfahren anwenden und sind für gewöhnlich anhand der Marktkapitalisierung gewichtet. Andere Aspekte, etwa Governance, sind komplexer. Hierbei geht es eher darum, wie ein Unternehmen seine Geschäfte führt, nicht, in welchem bestimmten Sektor es tätig ist. Indizes, die sich auf diesen Aspekt konzentrieren, greifen eher auf eine Kombination aus Ausschluss- und Integrationsverfahren zurück und sind in Wertpapieren übergewichtet, die laut ihrer Methode als „Best in Class“ gelten. Sie kombinieren für gewöhnlich die Marktkapitalisierung mit der Gewichtung der ESG-Ratings.

Gewöhnlich werden ESG-Ratings von Research-Anbietern herangezogen, um zu bestimmen, welche Aktien in einem Index aufgenommen werden sollten. Nicht nur die Unterschiede bei den Methoden des Index-Screenings können für Verwirrung sorgen. Denn verschiedene ESG-Ratings für Einzelunternehmen geben den ESG-Anlagen einen noch subjektiveren Charakter. Auch wenn die Anbieter der ESG-Ratings sich Studien zufolge bei einem ESG-Rating weitestgehend einig sind, kann es zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Auf Ebene der Indizes kann dies dazu führen, dass dasselbe Unternehmen aus ESG-spezifischen Gründen von einer Benchmark ausgeschlossen ist, gleichzeitig jedoch zu den zehn grössten Positionen eines anderen ESG-Index zählt, da dieser einen anderen Ratinganbieter mit einer anderen Methode nutzt. Denn das Ratingverfahren ist kompliziert. Darüber hinaus sind die ESG-Daten der Unternehmen weder genormt noch obligatorisch.

Angesichts der Subjektivität der ESG-Ratings und -Methoden bedarf es eines signifikanten Urteilsvermögens, um eine ESG-Gesamtübersicht über ein Unternehmen zu erlangen. Die Unterschiede der ESG-Screening-Methoden der Indizes zeigen, wie wichtig es für die Anleger ist, die Regeln eines ESG-Index zu verstehen, da das Screening für den Aufbau des ESG-Index zumeist mit der Definition der Sektoren beginnt.

Verständnis vertiefen – wichtige Fragen stellen

Eine sorgfältige Due-Diligence-Prüfung ist erforderlich. Anleger sollten versuchen, ihr Verständnis zu vertiefen, indem sie sich wichtige Fragen über die Methode stellen: Welche Merkmale werden ausgewählt und warum? Wie wird jedes Merkmal gemessen und warum? Wie werden die Merkmale bei der Bestimmung eines Gesamtratings gewichtet und warum?

Wichtig ist, ESG-Aspekte sind für Anleger kein Grund, höhere Gebühren zu zahlen und sollen auch nicht zu Strategien mit hohem Risiko führen. Nach niedrigen Kosten streben, einen langfristigen Ansatz verfolgen und seine Anlagen streuen … all dies trifft auf ESG-Anlagen genauso wie auf jede andere Anlageart zu.

Ramon Vogt ist Senior Sales bei
Vanguard Schweiz. Er kam im Jahr 2018 zu Vanguard und ist für die Betreuung
von Grosskunden und Key Accounts in der deutschsprachigen Schweiz verantwortlich. Zuvor war er 16 Jahre in verschiedenen Positionen bei Credit Suisse in London, New York und Zürich tätig.
www.vanguard.ch

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