Aktionärinnen und Aktionäre müssen bald die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen genehmigen. Um ihre Arbeit gut machen zu können, müssen sie sich auf die Veröffentlichung bestimmter geprüfter Daten verlassen können.
2023 tritt Artikel 964 des Obligationenrechts in Kraft, der kotierte Schweizer Unternehmen zur nicht finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Die Unternehmen müssen über ihr Risiko- und Chancenmanagement in Bezug auf Umwelt- und soziale Belange berichten. Eine spezielle Verordnung legt fest, welche Informationen in der Klimaberichterstattung veröffentlicht werden sollen. Mit dem Vorschreiben der nicht finanziellen Berichterstattung beendet die Schweiz ihren Alleingang in puncto Selbstregulierung. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert, dass die Unternehmen diesen Bericht ihrem Aktionariat zur Genehmigung vorlegen, so wie sie heute schon ihren Jahresbericht oder die Vergütung ihrer Führungskräfte diesem zur Abstimmung vorlegen müssen.
Diese Entwicklung ist eine gute Nachricht für Anlegerinnen und Anleger, die bei Unternehmen besonders auf die Handhabung ihrer Umwelt-, Sozial- und Governance-Herausforderungen achten. Denn die Selbstregulierung dieser Belange ist ganz klar an Grenzen gestossen. Bis Ende 2021 veröffentlichte nur die Hälfte der 200 Unternehmen des Swiss Performance Index (SPI) einen Nachhaltigkeitsbericht, und davon wiederum nur 67 nach einem anerkannten Berichterstattungsstandard (GRI usw.). Damit ein Nachhaltigkeitsbericht jedoch nicht zu einer reinen PR-Massnahme verkommt, muss er relevante, zuverlässige und umfassende Indikatoren und Informationen enthalten.
In dieser Hinsicht sind sowohl das Obligationenrecht als auch der im März vom Bundesrat veröffentlichte Entwurf einer spezifischen Verordnung leider nicht verbindlich genug. Zunächst einmal verpflichten beide Texte die Unternehmen nicht, ihre gesamten Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) zu veröffentlichen, da die indirekten Scope 3 Emissionen – die Emissionen, die mit der Lieferkette und der Verwendung der Produkte zusammenhängen – nur dann veröffentlicht werden müssen, wenn dies «möglich und angemessen» ist. Scope 3 Emissionen sind jedoch der Löwenanteil der gesamten THG-Emissionen kotierter Schweizer Unternehmen und die hier gewählte Formulierung könnte es ihnen ermöglichen, Letztere nicht zu veröffentlichen. Dies unter dem Vorwand, dass es zu kompliziert sei, Informationen von Lieferanten oder der Nutzerschaft ihrer Produkte zu erhalten. Jenes widerspricht aber ganz klar dem Endziel des Bundesrates, den Aktionärinnen und Aktionären Zugang zu klaren, relevanten und vergleichbaren Klimainformationen von Unternehmen zu gewährleisten.
Dabei ist die Transparenz von Unternehmen für das gute Funktionieren der Märkte und des Finanzsektors wesentlich. Ohne Transparenz können Anlegerinnen und Anleger den Umgang von Unternehmen mit ESG-Themen nicht genügend beurteilen, was entscheidende Folgen mit sich bringt. Auf der einen Seite werden gute Akteure nicht genügend bevorzugt, auf der anderen kann der Druck zur Verbesserung auf die weniger guten nicht erhöht werden. Eine solche Transparenz dient ebenfalls dazu, besser gegen «Greenwashing» vorgehen zu können.
Ein zweiter Kritikpunkt am Verordnungsentwurf ist, dass er im Gegensatz zum europäischen Regelungsentwurf (CSRD) die Unternehmen nicht dazu verpflichtet, die von ihnen veröffentlichten nicht finanziellen Indikatoren von einer unabhängigen Drittpartei überprüfen und genehmigen zu lassen. Diese externe Kontrolle etwa der THG-Emissionen ist jedoch unerlässlich. So unabdingbar wie die unabhängige Prüfung des Jahresabschlusses eines Unternehmens heute ist, sollte auch die externe Kontrolle der CO2-Emissionen sein.
Es bleibt nun zu hoffen, dass der Bundesrat die Verbesserungsvorschläge, die ihm während des am 7. Juli 2022 beendeten Konsultationsverfahrens unterbreitet wurden, berücksichtigt und seinen Verordnungsentwurf überarbeitet.
Facts
Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre THG-Emissionen bis 2030 um die Hälfte gegenüber 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Bundesrat insbesondere auf die Transparenz der Unternehmen, um eine Umverteilung der Finanzanlagen in Richtung derjenigen Unternehmen zu ermöglichen, die die Klimaherausforderungen berücksichtigen und sich um eine Verringerung ihrer Umweltauswirkungen bemühen.
So enthält der direkte Gegenentwurf zur Volksinitiative über verantwortungsvolle multinationale Unternehmen – der im November 2020 abgelehnt wurde – Bestimmungen über die Transparenz von Unternehmen bezüglich nicht finanzieller Belange. Im August 2021 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement mit der Ausarbeitung eines Entwurfs, der die Rechenschaftspflicht zu Klimafragen präzisiert und der 2022 in die Vernehmlassung geschickt wurde.
Die Bestimmungen geben den grossen Unternehmen vor, in ihren Berichten, Umwelt- (einschliesslich CO2-Ziele), soziale und personelle Fragen, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption abzudecken, um die Vergleichbarkeit zu verbessern. Sie müssen ebenfalls wesentliche Risiken und Schlüsselindikatoren in Bezug auf nicht finanzielle Belange sowie die Art und Weise, wie das Unternehmen diese Risiken managt, beschreiben.
Es ist vorgesehen, dass der Text am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Die Berichtspflichten werden ab dem Geschäftsjahr 2023 gelten und die ersten Berichte werden 2024 veröffentlicht.
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