Nachhaltige Geldanlagen sind an den Finanzmärkten angekommen. Nach einem eindrücklichen Wachstum und einem Marktanteil nachhaltiger Fonds von über 50 Prozent am Schweizer Fondsmarkt scheint das Ziel, ESG im Mainstream zu verankern, erreicht zu sein.

Neben den Erfolgsmeldungen und fast täglich neuen ESG-Produkten häufen sich momentan kritische Stimmen zur Qualität der Nachhaltigkeitsansätze: Gerade grosse Anbieter mit schnell wachsenden Volumina rufen (aufbauend auf internen Vorwürfen) Skepsis hervor, immer wieder wird Greenwashing angeprangert. Zudem macht der im Vergleich zu anderen DACH-Ländern hohe Schweizer Marktanteil ein weiteres Problem deutlich: Bisher beruht die Einstufung als ESG- beziehungsweise nachhaltiger Fonds primär auf einer Selbstdeklaration. Neben einigen Qualitätsstandards und einer Einstufung nachhaltiger Anlagestrategien durch Verbände gibt es wenige verbindliche Vorgaben.

Welche Rolle kann die Regulierung einnehmen?

Mit dem EU Action Plan on Sustainable Finance arbeitet die EU seit Jahren an einem umfangreichen Massnahmenpaket, um einerseits mehr Kapital für nachhaltige Investitionen (zur Erreichung der SDGs und der Pariser Klimaziele) zu mobilisieren und gleichzeitig mehr Transparenz zu fördern. Die Offenlegungsverordnung (SFDR) mit einer verpflichtenden Kategorisierung von nachhaltigen Anlageprodukten nach Artikel 6, 8 und 9 strebt an, Anlegern die Orientierung zu erleichtern. Daraufhin ist eine Schwemme von Mainstream-Fonds zu beobachten, die sich nun durch pragmatische ESG-Filter als nachhaltige Fonds nach Artikel 8 einstufen.

Auch wenn eine breitere Integration von ESG-Kriterien zu begrüssen ist, führt eine reine Selbsteinstufung ohne Vorgaben gegenwärtig nicht zu höherer Transparenz, sondern zu mehr Verwirrung von Beratern und Kunden. Eine Klärung der Situation ist für Juli 2022 durch präzise Umsetzungsvorschriften der EU oder Kataloge mit Mindestanforderungen durch nationale Verbände oder Behörden zu erwarten. Analog dazu werden auch in der Schweiz Massnahmen gegen Greenwashing diskutiert.

Welche Massnahmen können die Qualität und damit die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Geldanlagen sichern?

Mit der entstandenen Unsicherheit durch den aktuellen Stand der Regulierung wird eine Form der Selbstregulierung durch Qualitätslabels mit einer unabhängigen externen Beurteilung der Fonds relevanter: Der Anteil von nachhaltigen Fonds mit einem entsprechenden Label hat in der Schweiz zwischen 2019 von 6 auf 32 Prozent im folgenden Jahr zugenommen. Wenn mit dem Label eine unabhängige Bewertung des Nachhaltigkeitsansatzes der Fonds und die Prüfung von Mindeststandards verbunden ist, wird damit zusätzlich Vertrauen gewonnen. Dies ist beispielsweise beim FNG-Siegel der Fall. Hier wird die detaillierte Qualitätsprüfung der Investment-Prozesse unabhängig von der Uni Hamburg durchgeführt.
Zudem können hohe Standards der Asset Manager in Bezug auf Produktwahrheit und transparentem Reporting die Glaubwürdigkeit ihrer Angebote erhöhen.

Auch die systematische Verankerung von Nachhaltigkeit im Beratungsgespräch ist entscheidend: Regulatorische Vorgaben wie die geplante Anpassung von MIFID II versuchen die bisherige Zurückhaltung von Kundenberatern zu beeinflussen. Doch müssen sie selber von den Vorteilen nachhaltiger Anlagen überzeugt sein und sicher sein, gute Argumente zur Qualität und Wirkung nachhaltiger Anlagen zu haben.

Damit sind verschiedene Stellschrauben zu drehen, um dem Anspruch, dass nachhaltige Geldanlagen einen Beitrag zur Erreichung der SDGs und Klima leisten können, halbwegs gerecht werden können. Das Ausweisen hoher Volumina alleine wird keine Wirkung erzielen.

Anstelle von aufgeblähten Marketing-Kampagnen ist jetzt ein selbstkritisches Reporting erforderlich, um die Erwartungen der Marktteilnehmer zu erfüllen und Glaubwürdigkeit zu erhalten.

Dr. Ingeborg Schumacher-Hummel berät mit ihrer Firma Responsible Impact Investing und 25-jähriger Erfahrung zu Sustainable Investing sowohl Asset Manager wie institutionelle Investoren. Zudem schult sie Kundenberater und ist beim Aufbau von ESG-AM beteiligt, einem Asset Manager «Beyond Sustainable Credit».
www.responsible-impact.com

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