Das Investitionsvolumen für nachhaltige Anlagen wuchs im Jahr 2020 gemäss den Angaben von Swiss Sustainable Finance zweistellig und erreichte einen Höchststand. Neben den regulatorischen Entwicklungen (zum Beispiel EU Taxonomie) war der pandemiebedingte Konsumverzicht ein wichtiger Treiber.

Die Sparquote erreichte 2020 einen Rekordwert, und zusammen mit den historisch tiefen Zinsen verstärkten sich für Sparer die Anreize, Gelder am Kapitalmarkt anzulegen. Dabei werden vermehrt Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung («ESG») beachtet. Sie sollen den Marktakteuren Orientierung bieten bei nachhaltigen Anlageprodukten.

Anlagestrategien kritisch hinterfragen

Die Wirkung solcher Produkte ist jedoch nicht per se nachhaltig in einem ganzheitlichen Sinn. Verschiedene Zielkonflikte sind offensichtlich: Wertebasierte Ausschlussstrategien (zum Beispiel Ausschluss grüne Biotechnologie, Kernenergie, Kohle) beruhigen zwar das Gewissen, tragen aber meist nicht direkt zu einer nachhaltigen Problemlösung bei; durch die Integration von ESG-Kriterien soll eine bessere Rendite erzielt werden, allerdings sollten die Anleger nicht überrascht sein, wenn eine in der öffentlichen Wahrnehmung „nicht-nachhaltige“ Firma Teil des Portfolios ist (divergierende ESG Ratings); und auch Impact Investing verheisst oftmals mehr als tatsächlich dahinter ist, denn im Vordergrund steht die gute Absicht und nicht der finanzielle Erfolg einer Aktivität, die zugleich einen positiven Impact erzeugen soll.

Für die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Investments wird es daher immer wichtiger, die tatsächliche Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft aufzuzeigen, und ob die Anlageprodukte skalierbar sind im Sinne, dass es sich nicht bloss um Nischenprodukte handelt.

Neue Metriken für die Nachhaltigkeitsleistung

Derzeit ist die Mess- und Vergleichbarkeit der Wirkung von Geldanlagen auf eine nachhaltige Entwicklung noch nicht in der notwendigen Qualität und Quantität gegeben. Neue Bewertungsinstrumente sind gefragt, die zudem praktikabel, aussagekräftig, transparent und kompatibel sind mit internationalen Vorgaben. Erst dann werden die Transformationsbeiträge von Investitionen für die Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele sichtbar.

Das Zentrum für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS) forscht auf diesem Gebiet und erarbeitet zusammen mit der Privatwirtschaft praxistaugliche Lösungen. Das «ESG2GO» Rating für KMU bewertet Nachhaltigkeit integral, und soll es KMU ermöglichen, auf praktikable Weise eine Einschätzung ihrer Nachhaltigkeitsleistung zu erhalten, die mess- und vergleichbar innerhalb der jeweiligen Branche ist.

Ein weiteres CCRS-Projekt erfasst, inwieweit international tätige Schweizer Unternehmen zum UNO Nachhaltigkeitsziel 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) durch prinzipienorientierte Einbettung beitragen. Ein sogenannter «Key Embeddedness Indicator» soll den Nachhaltigkeitsbeitrag von Firmen in den Regionen, in denen sie investieren, mess- und vergleichbar machen.

Partnerschaften und gemeinsame Anstrengungen

Die Zusammenarbeit mit der Finanz- und Realwirtschaft und weiteren Akteursgruppen sollte vermehrt genutzt werden, um praxistaugliche Nachhaltigkeitslösungen, -produkte und -instrumente in koordinierter Weise zu entwickeln. Das Ziel ist es sicherzustellen, dass dort, wo ein Nachhaltigkeitslabel drauf steht, auch tatsächlich Nachhaltigkeit drin ist. Langfristig geht es dabei um die Glaubwürdigkeit der Finanzindustrie.

Isabelle Schluep leitet seit 2015 den Bereich «Nachhaltige Wirkung» am Zentrum für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich. Als Agronomin und Ökonomin entwickelt sie in interdisziplinären Forschungsprojekten Instrumente für die Nachhaltigkeitsbewertung. www.ccrs.uzh.ch