«Nachhaltige Investment» – heute muss dieser Begriff für fast alle Anlagestrategien hinhalten, die einen Datenpunkt aus dem ESG-Bereich einbeziehen. Somit fallen aktuell rund ein Drittel aller Investments in diese Kategorie. Doch hilft uns diese Praxis, um die Klima- und Biodiversitätskrise zu bewältigen?

«Nachhaltig» ist kein beliebiges Wort, auch wenn es oft so genutzt wird. Nachhaltig bedeutet, dass wir unsere Bedürfnisse so befriedigen, dass die Möglichkeit zukünftiger Generationen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen, nicht beeinträchtigt wird. Dabei sollen die drei Säulen der Wirtschaftlichkeit, des sozialen Zusammenlebens und der Erhaltung der Umwelt Hand in Hand gehen. 2022 war der «Earth Overshoot Day», also der Tag im Jahr, an dem wir so viele Ressourcen verbraucht haben, wie die Welt 2022 regenerieren kann, am 28. Juli. Wir bräuchten also knapp zwei Erden, um unser Lifestyle zu ermöglichen und für zukünftige Generationen zu sichern. Das Konzept der planetaren Grenzen ist eine andere Betrachtungsweise auf das gleiche Problem. Aktuell leben wir in fünf von neun dieser Grenzen schon ausserhalb des Bereiches, der vertretbar wäre, um die Welt und unseren Wohlstand für künftige Generationen zu sichern.

Die Finanzwelt ist sich einig, dass eine Investition in defizitäre Unternehmen ohne glaubhaften Plan, um aus dieser Lage herauszukommen, nicht nachhaltig ist. Umso erstaunlicher ist es, dass die gleichen Fachleute, eine Investition in Unternehmen, die Jahr für Jahr ein Defizit unserem Planeten gegenüber verursachen, als nachhaltig bezeichnen.

Es ist Zeit, dass Finanzinstitute transformativ agieren

Darum plädieren wir dafür, dass Finanzinstitute verstärkt auch andere Ziele andere Ziele verfolgen als einen Prozentsatz «nachhaltiger» Investments, weil dieser Begriff, wie er aktuell genutzt wird, bedingt hilfreich ist. Wir können noch so viele Finanzprodukte als «nachhaltig» deklarieren, wenn die Emissionen jedes Jahr steigen, immer mehr Tiere und Pflanzen aussterben und die Wasserwege trocken bleiben, haben wir das Problem nicht gelöst.
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem sich jedes Unternehmen überlegen muss, über welche Ressourcen, Netzwerke, Wissen und Macht es verfügt, um die Transformation der Gesellschaft und Wirtschaft hinzu wahrhaftiger Nachhaltigkeit zu beschleunigen. Wir haben noch sieben Jahre, um die globalen Treibhausgasemissionen zu halbieren und somit überhaupt erst eine Chance zu haben, die Welt nicht katastrophal zu erhitzen. Das sind zehn Jahre weniger als wir brauchten, um den Gotthard Basistunnel zu bauen. Die Zeit der kleinen Schritte ist vorbei. Wir brauchen eine Finanzwelt, die sich als transformative Kraft begreift und alle Hebel in Bewegung setzt, um die Grundlagen unseres Lebens zu erhalten.

Einige Akteure haben sich schon auf diesen Weg begeben: So gibt es «aktivistische Investoren», die ernsthaft versuchen, das Management von Unternehmen umzubesetzen, damit eine glaubhafte Klimastrategie möglich wird. Auch beraten und unterstützen gewisse Banken ihre Kreditkunden aktiv in der nachhaltigen Transformation. Andere Banken bündeln ihre Kräfte mit Energieanbietern, staatlichen Stellen und weiteren Akteure, um Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer zu überzeugen, rasch energetisch zu sanieren. Schliesslich gibt es weltweit Banken, die sich im Kern der Nachhaltigkeit verschrieben haben (GABV). Von diesen Strategien brauchen wir mehr und rasch.

Amandine Favier ist Head of Sustainable Finance von WWF Schweiz. In dieser Funktion ist sie für Projekte verantwortlich in den Bereichen Politik, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sowie Finanzinstituten. Zudem erarbeitet ihr Team Lösungen für einen nachhaltigen Finanzplatz. Bevor sie 2012 zum WWF stiess, war sie für verschiedene Finanzinstitute tätig.

Regula Hess ist Senior Advisor Sustainable Finance von WWF Schweiz. Sie ist für das Engagement des WWF mit den Schweizer Finanzinstituten verantwortlich. Zuvor war sie sowohl in einer Beratung als auch für Ministerien in der Schweiz und Deutschland tätig.