Nachhaltige Finanzen haben im Jahr 2019 verstärkte Aufmerksamkeit erlangt, und dies bei weitem nicht nur im Markt selber, der erneut gewachsen ist. Auch der Schweizer Gesetzgeber, die Regierung sowie auch breite Teile der Öffentlichkeit äusserten sich aktiv zum Thema nachhaltiger Finanzen und Anlagen.

Das breite Interesse an nachhaltigen Anlagen zeigt, dass diese schon lange kein Nischendasein mehr fristen, sondern eine Wachstumschance für die gesamte Branche sind. Dies belegen auch die neusten Marktzahlen von Swiss Sustainable Finance (SSF). So stieg das Volumen der nachhaltig angelegten Gelder Ende 2018 auf 716,6 Milliarden an – eine Zunahme von 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das nachhaltige Fondsvolumen hat sich verdoppelt und macht 18,3 Prozent des Fondsmarkts aus – so viel wie noch nie zuvor.

Diese Skalierung zeigt, dass nachhaltiges Investieren als Businessmodell mit Wachstumschance rege genutzt wird und dabei auf steigende Nachfrage stösst. Durch die verstärkte Prominenz nachhaltiger Anlagen wird allerdings auch die Frage nach deren Wirkung immer lauter, denn die Zunahme nachhaltiger Anlagen soll auch den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft beschleunigen und vermehrt messbare Wirkung erzeugen.

Dieser Ruf kommt nicht nur von Gruppen wie der hiesigen Klimabewegung, sondern auch von Politik und Branche. Tatsächlich verfügt die Schweizer Finanzbranche bereits über innovative Instrumente und zählt zu den Pionieren was Impact Investments angeht. Um diese Lösungen zu skalieren und die Hebelwirkung nachhaltiger Anlagen zu steigern, braucht es aber weiterführende Massnahmen von verschiedenen Seiten und gemeinsame Initiativen.

Die EU eilt voraus

Auf regulatorischer Ebene schlägt insbesondere der EU-Aktionsplan zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums ein flottes Tempo an. Die zehn Aktionspunkte haben bereits zu konkreten Gesetzesvorlagen geführt, von denen einige bereits verabschiedet sind oder kurz davorstehen. Die Taxonomie, eine umfassende Liste aller Wirtschaftstätigkeiten, die tatsächlich als nachhaltig angesehen werden, wird sicher auch für Schweizer Player eine Orientierung für Analysen und Investmententscheide werden.

Auch ohne gesetzliche Vorgabe bewegt sich viel

In der Schweiz hat derweil die Anzahl parlamentarischer Initialen zum Thema nachhaltiger Finanzen massiv zugenommen. Allein in der Frühlings- und Sommersession des Parlaments wurde mindestens 13 Vorstösse vom gesamten politischen Spektrum eingereicht. Im Juni hat der Bundesrat zudem eine bundesinterne Arbeitsgruppe zum Thema nachhaltiger Finanzen angekündigt. Nicht zuletzt haben sich die Schweizer National Bank (SNB) und die Finanzmarkaufsicht (FINMA) dem Network For Greening the Financial System (NGFS) angeschlossen.

Währenddessen arbeiten verschiedene Branchenverbände an weiteren Massnahmen. SSF und die Swiss Fund and Asset Management Association (SFAMA) haben zum Beispiel eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet puttygen ssh , die Richtlinien für eine nachhaltige Vermögensverwaltung ausarbeitet. Eine Arbeitsgruppe von SSF beschäftigt sich mit der Frage, wie man Impact messen und darstellen kann.

Dies zeigt, dass sich die Branche nicht mit reinem Volumenwachstum zufriedengibt und auch gezielt an einer kontinuierlichen Verbesserung arbeitet. Für die Zukunft ist es zudem zentral, dass mit verlässlichen ESG-Indikatoren die Wirkung gemessen wird, die mit dem Investmentprozess erzielt wird. Denn es bleiben noch zehn Jahre bis zur Erreichung der Agenda 2030 der Sustainable Development Goals (SDGs), und dafür ist gemeinsames Handeln der effektivste Weg.

Autor:
Jean-Daniel Gerber war Mitte der 90er Jahre Exekutiv-Direktor der Weltbank, bevor er Direktor des Bundesamts für Migration wurde. Von 2004 bis 2011 leitete er das Staatssekretariat für Wirtschaft. Aktuell ist er Präsident von SSF sowie der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft.