Dank der Schweizer Banken haben wir einen leistungsstarken und global wettbewerbsfähigen Finanzplatz. Innovation in den Bereichen Fintech und Sustainable Finance ist für die Schweiz zentral, nicht zuletzt für eine prosperierende KMU-Landschaft. Mit nachhaltig wirksamen Finanzprodukten und Anlagen engagieren sich Schweizer Banken, Versicherungen und Pensionskassen verstärkt gegen den Klimawandel – ein Schlüsselelement. Doch der Weg zu Netto-Null ist noch weit.

Es gibt einen positiven Trend beim nachhaltigen Investment. Auch dieses Jahr gibt es neue Rekorde. So wurden bereits in der ersten Jahreshälfte mehr Green Bonds herausgeben und mehr Geld in erneuerbare Energien investiert als je zuvor. Diese positiven Entwicklungen dürfen aber nicht über den noch langen Weg hinwegtäuschen. So waren 2021 weniger als ein Prozent des weltweiten Fondsvermögen mit dem Pariser Übereinkommen vereinbar. Zudem hatten beim Schweizer PACTA Klima-Test von 2022 erst 28 Prozent der beteiligten Finanzunternehmen eine Strategie, die Netto-Null bis 2050 aufnimmt. Banken, Vermögensverwalter und Pensionskassen haben mit ihren Investitionen und Anlagen einen sehr grossen Hebel in der Klimadebatte. Ohne klare und optimierte Rahmenbedingungen werden sie ihn nicht rechtzeitig nutzen können.

Von der EU lernen

Das zeigt der Blick in die Europäische Union. Mit dem European Green Deal und der EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten hat die EU zwei grosse Schritte in Richtung einer nachhaltigen europäischen Finanz- und Investitionslandschaft gemacht. Mit genauerem Blick fallen jedoch zwei Punkte auf. Erstens ist die EU leider beim Rahmen im letzten Moment eingeknickt und hat zum Beispiel Erdgas sowie die Kernenergie als nachhaltig eingestuft. Zweitens sind die Massnahmen ein nur schwer umsetzbarer Flickenteppich aus teilweise sehr komplexen und nicht eindeutigen Vorgaben. Das schafft einen zu grossen bürokratischen Aufwand und Rechtsunsicherheit.

Das bedeutet nicht, dass die EU völlig falsch liegt. Die EU schreitet deutlich voran, und die Schweiz täte gut daran, ihr zumindest in der Absicht zu folgen. Wir sollten aber auch von den Erfahrungen lernen. Der Finanzmarkt und die Privatwirtschaft brauchen klar verständliche und umsetzbare Rahmenbedingungen. Nur so werden die nötigen Mittel für eine Transition freigesetzt und nachhaltig investiert.

Es braucht klare Rahmenbedingungen …

Mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes durch die Bevölkerung am 18. Juni 2023 steht das Ziel – Netto-Null bis 2050. Jetzt ist nicht nur die Finanzbranche am Zug. Der Bund muss strenge und klare Rahmenbedingungen mit genaueren Zwischenzielen erlassen. So kann er seinem Auftrag gerecht werden und dafür sorgen, dass der Schweizer Finanzplatz «einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet.»

… und Transparenz

Zudem braucht es mehr Informationen, um die Gefahr von Klimarisiken auf die Wirtschaft und die Anlegerinnen und Anleger zu reduzieren und den Fortschritt in der Transition zu messen. Dafür braucht es insbesondere wirksame und umsetzbare Transparenzvorschriften für Unternehmen und Anlageprodukte. Hier bilden die Swiss Climate Scores eine wertvolle Grundlage. Diese schaffen Klarheit bei den Anlegerinnen und Anlegern und dienen so der Zielerreichung.

Wenn die Politik, die Finanzbranche und die Privatwirtschaft zusammenarbeiten und den Rahmen definieren, können wir den grossen Hebel der Finanzbranche bewegen. Bewegung braucht Mut. Diesen wünsche ich allen Akteuren.

Autor:

Jürg Grossen ist Unternehmer und vertritt die GLP des Kantons Bern seit 2011 im Nationalrat. Seit 2017 ist er Präsident der GLP Schweiz. Er war acht Jahre Mitglied der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen und nun seit vier Jahren in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK.

Illustrationsbild: © adobestock / olyasolodenko