Um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern, verbleiben noch sechs Jahre, um die Treibhausgas-Emissionen zu halbieren. Zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen gehört es auch, das rasant voranschreitende Aussterben von Tieren und Pflanzen raschmöglichst rückgängig zu machen. 

Die Ziele sind klar, was zu tun ist, ebenfalls. Und trotzdem passiert viel zu wenig. Höchste Zeit, radikale Änderungen anzupacken. 

Radikale Konsequenz im Stewardship-Prozess

Zum Beispiel bei den sogenannt nachhaltigen Anlagen. Ein Grossteil dieser Produkte dient noch immer hauptsächlich dem Risikomanagement oder dem Value Alignment. Doch wir brauchen keine Fonds fürs gute Gewissen, wir brauchen Wirkung. Und die erreichen wir vor allem mit Impact Investments und Active Ownership. Engagement darf aber kein Feigenblatt sein. Wer als Aktionärin, Aktionär oder Asset-Manager eine Firma mitbesitzt, ist für die Schäden, die sie verursacht, mitverantwortlich. Deshalb müssen Investorinnen, Investoren und Vermögensverwalter von “ihren” Unternehmen das Verfolgen von wissenschaftsbasierten Transitionsplänen einfordern. Diese Pläne führen rechtzeitig zu einem Geschäftsmodell, das mit den planetaren Belastungsgrenzen in Einklang steht. Verpflichten sich Unternehmen nicht dazu oder werden Zwischenziele nicht eingehalten, so müssen rasch Konsequenzen gezogen werden: Zum Beispiel in Form von Resolutionen, der Verweigerung der Décharge oder der Abwahl des säumigen Verwaltungsrats. Wenn das nicht hilft, bleibt nur noch ein lautes und begründetes Divestment. Dadurch verlieren Investorinnen und Investoren zwar die Kontrolle. Doch sie haben ein klares Signal gesetzt und Kapital freigesetzt für veränderungswillige Unternehmen.

Es ist Zeit für gesetzliche Vorgaben

Es gibt keinen Grund, warum es noch lange erlaubt sein sollte, in Unternehmen zu investieren, die mit ihren Geschäftsmodellen die Lebensgrundlagen unserer Kinder sowie die Grundlagen der künftigen Wirtschaft zerstören. Doch genau das geschieht noch immer – weil es nicht verboten ist. Bedauerlicherweise ist vielen Akteurinnen und Akteuren im Finanzmarkt der kurzfristige Gewinn für wenige immer noch wichtiger als das Ermöglichen von Lebensqualität für viele in Zukunft. Gegen dieses Trittbrettfahren auf der tragischen Allmende helfen nur Kostenwahrheit, gleich lange Spiesse und klare gesetzliche Vorgaben. Deshalb sollte die Politik endlich dafür sorgen, dass die Aktivitäten des Schweizer Finanzplatzes mindestens kompatibel werden mit den Nachhaltigkeitszielen der Schweiz.

Unabhängig von Wachstum werden

Mittelfristig ist es dazu wohl unumgänglich, dass Banken und Vermögensverwalter ihre Geschäftsmodelle von der Notwendigkeit einer stetig weiter wachsenden Wirtschaft entkoppeln. Denn selbst bei “grünem Wachstum” steigt der Natur- und Ressourcenverbrauch weiter an, er wird bloss verlangsamt. Und das kann auf Dauer nicht aufgehen.

Die meisten Finanzakteure sind mit ihren Geschäftsmodellen aktuell nicht bloss abhängig vom Wirtschaftswachstum, sie treiben es mit ihrer Geldschöpfung und ihrer Renditemaximierung auch aktiv an. Es ist deshalb in ihrem ureigenen Interesse, Wege zu suchen, um ihre Geschäftsmodelle an den Bedürfnissen einer regenerativen Wirtschaft auszurichten. Ein wirklich nachhaltiges Finanzsystem orientiert sich an den Bedürfnissen einer Wirtschaft, die ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen ermöglicht.

Illustrationsbild: adobestock / Nakron

Autor:

Peter Haberstich leitet die Kampagne für eine nachhaltige Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. Greenpeace unterzieht Selbstverpflichtungen sowie Aktivitäten von Finanzmarktakteuren einer kritischen Prüfung, publiziert Studien und Vergleiche und exponiert Akteure, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. www.greenpeace.ch/finance