Die negative Marktentwicklung im Anlagejahr 2022 traf nachhaltige Anlagen genauso hart wie die Standardinvestments in identischen Anlageklassen.

Zudem agierten viele Banken und Vermögensverwalter vorsichtiger bei der Vermarktung ihrer nachhaltigen Anlagen, um Greenwashing-Risiken vorzubeugen. Auch hat die regulatorische Komplexität für nachhaltige Anlagen deutlich zugenommen. In der Summe führten diese Faktoren dazu, dass nachhaltigkeitsbezogene Anlagen in der Schweiz im vergangenen Jahr – erstmals seit über 10 Jahren – einen Rückgang verzeichneten. Ist nun daraus zu schliessen, dass nachhaltige Investitionen in der Krise stecken? Keineswegs. Vielmehr stellen diese Entwicklungen einen natürlichen Schritt in Richtung einer stärkeren Integration von nachhaltigkeitsbezogenen Investitionen in den Mainstream dar. Dafür sprechen verschiedene Gründe.

Natürliche Entwicklung

Erstens ist es nicht überraschend, dass nachhaltige Anlagen nach einer Dekade erheblichen Wachstums, das sich in einigen Segmenten mit einem Marktanteil von über 50 Prozent manifestierte, nun geringere Wachstumsraten zeigen. Das ist eine natürliche Entwicklung in stark gewachsenen Märkten. Dass nachhaltigkeitsbezogene Investitionen, wie herkömmliche Anlagen auch, aufgrund der schlechten Börsenperformance Volumina verloren haben, erstaunt ebenfalls nicht. Die Entwicklung bringt letztlich zum Ausdruck, dass heute für die meisten Anlageklassen nachhaltige Alternativen angeboten werden und nachhaltigkeitsbezogene Portfolios folglich Standard-Asset-Allokationen aufweisen – mit allen Vor- und Nachteilen entsprechender Kursentwicklungen.

Verbesserte Kommunikation

Zweitens ist die tendenziell zurückhaltende Berichterstattung über nachhaltige Volumen durch Produktanbieter ein Ausdruck davon, dass die Branche das Thema ernster nimmt. Die Frage nach der Wirkung solcher Anlagen steht bei den Anlegern immer mehr im Zentrum, was angesichts der Dringlichkeit vieler Nachhaltigkeitsthemen – allen voran der Klimawandel – eine wichtige Entwicklung ist. Eine verbesserte Kommunikation über die angestrebten Ziele von nachhaltigkeitsbezogenen Investitionen – sei es die Abstimmung auf Werte, das Senken von Risiken oder das Erzielen von Wirkung – fördert das Verständnis bei Anlegern und trägt dazu bei, das Vertrauen in solche Investitionen zu festigen. Transparenzinitiativen wie die «Swiss Climate Scores» spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, die Kommunikation zu nachhaltigkeitsbezogenen Anlagen zu verbessern.

Wichtige Regulierung

Drittens spielt die Regulierung im Bereich nachhaltiger Finanzen eine wichtige Rolle. Zwar wird sie von Marktteilnehmern im Moment vielfach als Belastung wahrgenommen. Auch hat sie bislang nicht die beabsichtigte Klarheit für die Anleger gebracht. Sie führte jedoch zu einer höheren Sensibilität hinsichtlich der Etablierung solider Anlageprozesse und klarerer Kommunikation darüber. Die laufende Diskussion über Definitionen und Berichterstattung – sei es in der EU oder in der Schweiz – dürfte dazu führen, dass sich die Rahmenbedingungen laufend verbessern und damit auch die Transparenz für die Anleger. 

Fazit

Für die Zukunft wird es entscheidend sein, dass ein prinzipienbasierter Rahmen definiert wird, der eine bessere Klassifizierung nachhaltiger Investitionen ermöglicht. Mehr Transparenz hinsichtlich der Ziele und klarere Informationen über Ergebnisse hilft den Anlegern besser zu verstehen, welche Investitionen ihren Vorstellungen entsprechen. Auf dieser Basis können auch Anlagen gestärkt werden, die einen klaren Beitrag zum dringend benötigten Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft leisten.

Autorin:

Sabine Döbeli ist CEO von Swiss Sustainable Finance, dem Schweizer Verband für nachhaltige Finanzen, der unter Ihrer Leitung gegründet wurde. Zuvor war sie bei Vontobel als Leiterin Nachhaltigkeit tätig und baute bei der Zürcher Kantonalbank ein internes
Nachhaltigkeitsresearch-Team auf.
www.sustainablefinance.ch

Illustrationsbild: © adobestock / Roman