Das Staatsrisiko steht wieder im Mittelpunkt des Interesses. Zunehmende geopolitische Spannungen und Konflikte, der Klimawandel und die jüngste Serie von Nahrungsmittel- und Energiekrisen zwingen die Anleger, die Auswirkungen von ESG-Themen auf das Länderrisiko zu überdenken. 

Bei der Bank J. Safra Sarasin haben wir bereits 2002 eines der ersten Nachhaltigkeitsratings für Länder erstellt. Seitdem haben wir unsere Methodik laufend aktualisiert und weiterentwickelt, wobei das neueste Modell 2023 eingeführt wurde.

Wie können Anleger demnach ESG-Faktoren am besten integrieren, um das Kreditrisiko von Staaten zu erkennen und zu steuern?

Die gängigste Methode zur Bewertung der Nachhaltigkeit eines Staates besteht darin, verschiedene Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen zu einem kombinierten Best-in-Class-ESG-Rating zusammenzufassen, doch leidet dieser Ansatz unter einer «integrierten Einkommensverzerrung». 

Ein Beispiel: Eine Studie der Weltbank (Abbildung 1) hat ergeben, dass die meisten ESG-Ratings von Staaten vor allem dadurch beeinflusst werden, wie reich das Land ist. Mit anderen Worten: Je wohlhabender ein Land ist, desto höher sind seine ESG-Ratings. Dies zeigt eine Diskrepanz zwischen den Absichten nachhaltiger Investoren und den Standartmethoden zur Messung der ESG-Performance von Ländern.  Das kann unerwünschte Folgen haben: Nachhaltigkeitsorientierte Investoren mit einem Best-in-Class-Ansatz würden dazu neigen, hauptsächlich in reiche Länder mit höherem Rating zu investieren, was auch das investierbare Universum unter Renditegesichtspunkten einschränkt.  

Daher korrigiert unser neues proprietäres Länder-ESG-Modell diese Einkommensverzerrung, sofern sie vorhanden ist. Um dies herauszufinden, überprüfen wir zunächst, welche Kernthemen in allen Ländern unseres Anlageuniversums eine starke positive Korrelation mit dem BIP pro Kopf (PPP-bereinigt) aufweisen. Wir sind der Ansicht, dass das PPP-bereinigte BIP eine geeignetere BIP-Kennzahl für die Einkommensanpassung ist, da es dazu beiträgt, die Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten und Dienstleistungen zu berücksichtigen.

Es überrascht nicht, dass der Entwicklungsstand der Länder in Bezug auf soziale Aspekte, wie z. B. die Verfügbarkeit von Basisinfrastruktur oder Wissens- und Innovationskapital, in hohem Masse mit dem jeweiligen Wohlstandsniveau korreliert (Abbildung 2). Andererseits gibt es bei einigen wichtigen Umweltthemen wie Wasserbelastung oder biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen keinerlei Einkommensverzerrung (Abbildung 3). 

Darüber hinaus korrigieren wir die Einkommensverzerrung nicht für Schlüsselthemen wie politische Führung, Rechte & Gleichheit und persönliche Freiheiten, da wir der Meinung sind, dass Länder unabhängig von ihrem Wohlstandsniveau in der Lage sind, die Art ihres Regimes und die ihrer Bevölkerung gewährten Rechte und Freiheiten zu bestimmen.

Anhand dieser einkommensbereinigten Daten zeigen unsere Länder-ESG-Ratings, welche ärmeren Länder besonders gute Arbeit beim Management von ESG-Risiken und Chancen leisten. Diese Länder benötigen auch dringend Finanzmittel, um ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Unsere Länder-ESG-Matrix zeigt auch, welche reicheren Länder ihre Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen und im Vergleich zu ihren Industrieländern zurückbleiben. 

Unser Rating berücksichtigt wichtige Aspekte wie Biodiversität, ökologische Widerstandsfähigkeit, Klimawandel, Potenzial für soziale Unruhen und politische Führung, um nur einige zu nennen. 

Wir passen unsere ESG-Ratings auch für Länder nach unten an, die wichtige Umwelt- und Sozialverträge und -konventionen nicht ratifiziert haben. Wir schliessen auch Länder aus, die sich derzeit in einem Konflikt oder Krieg befinden.

Schliesslich zeigt unsere ESG Country Matrix an, ob ein Land eine positive oder negative ESG-Dynamik in Bezug auf so wichtige Finanzindikatoren wie Korruptionswahrnehmung, geschäftlicher Entwicklungsstand, Rechtsstaatlichkeit und private Freiheitsrechte aufweist. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass Anleger von der Analyse der ESG-Dynamik eines Landes profitieren können.

Wir glauben, dass wir mit diesem ESG-Länderansatz besser in der Lage sind, die relative Outperformance von Ländern mit Potenzial zur Erreichung ihrer SDGs zu erkennen und aktiv daran zu partizipieren.

Weitere Veröffentlichungen finden Sie unter www.jsafrasarasin.com

FACTS

Bank J. Safra Sarasin und ihre nachhaltige Vermögensverwaltung J. Safra Sarasin Sustainable Asset Management verfügen über eine lange Tradition in der Verwaltung einer breiten Palette von aktiven, nachhaltigen Anlagestrategien und Mandaten. Als Familienunternehmen ist Nachhaltigkeit in unserer DNA verankert. Vor über 30 Jahren gehörten wir zu den ersten Vermögensverwaltern, die nachhaltige Anlagestrategien entwickelten. 

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